Mein erster Fall handelt von einem meiner Steckenpferde. Und ja, die Auflösung kommt am Anfang – von der Lungenembolie! Warum gerade die Lungenembolie. Sie ist nur eine Entität der Thrombosen und Embolien. Daher kann sie auch nur mit einem Multiorgan-Ultraschall abgeklärt werden (Lunge, Herz, Gefäße). Außerdem ist sie eines der Chamäleons in der Medizin.
Drei Patienten stellen sich mit Dyspnoe und Tachypnoe vor. Sie sind tachykard mit einer Herzfrequenz um die 120 pro Minute (Sinustachykardie). Der Blutdruck liegt um die 110/80 mmHg. Eine Organminderperfusion im Sinne eines Schocks zeigt sich nicht, das Laktat ist wenn überhaupt minimal erhöht.
Klar, als Erstes mache ich eine Notfallsonografie (Labor ist weg, EKG ist unspezifisch).
Wie fange ich aber an zu schallen? Wenn meine Verdachtsdiagnose eine Lungenembolie ist, frage ich zuerst dem Patienten, ob denn Beinschmerzen vorlagen. Wenn ja, mache ich zunächst eine Beinvenenkompressionssonografie. Ansonsten schalle ich zunächst Herz und Lunge.
Hier die Auswahl nach Organsystem. Ich möchte bei diesem Fall nicht in die Tiefe gehen, sondern das Vorgehen mit den Konsequenzen schildern.
Ihr habt die Auswahl:
Wenn ein Patient Schmerzen in einem Bein angibt, fange ich hier an zu schallen, primär auch am Ort der Schmerzen. Der schnelligkeithalber reicht im Notfall die 2-Punkt-Methode aus, sie ist schnell zu erlernen, und wird mit dem Linearschallkopf durchgeführt. Goldstandard ist die Kompressionssonografie, d.h. ich stelle mir in Quer-Richtung die jeweilige Arterie und Vene ein und übe Druck auf den Schallkopf aus. Ist das Lumen in der Vene echofrei (also thrombusfrei), kann diese vollständig komprimiert werden. Hierbei schalle ich im Leistenbereich und der Kniekehle. Falls ein Thrombus proximal gesehen wird, reicht das zum Beweis einer Lungenembolie aus – siehe aktuelle ESC Leitlinien. Somit ist ein CT-Thorax nicht unbedingt erforderlich – jedoch muss unbedingt eine Risikostratifizierung vorgenommen werden! Hierbei ist die Beurteilung der Rechtsherzbelastung im Notfallecho wichtig (ausserdem der PESI-Score und auch das Troponin). Ebenso kann im Lungensono eine Lungenembolie nachgewiesen werden.
Zu unseren Patienten:
- Patient 1: Thrombose der V. iliaca externa
- Patient 2: Thrombose der V. poplitea
- Patient 3: Thrombose der V. femoralis communis
In der Notfallechokardiografie sehe ich meist nur indirekte Zeichen der Lungenembolie – die Rechtsherzbelastung. Manchmal jedoch auch rechtsventrikuläre Thromben (siehe Patient 1). Eine Rechtsherzbelastung erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenarterienembolie, wichtiger ist jedoch der Stellenwert in der Risikostratifizierung (->Mortalität). Jedoch kann trotz normaler RV-Funktion eine Lungenembolie – auch eine große (siehe Patient 2) nicht ausgeschlossen werden (Negative Prädiktion 40 – 50 %).
Ich beginne meist mit dem subkostalen 4-Kammer-Blick – folgende Fragen sind wichtig:
- Ventrikelgröße
- Perikarderguss
- Rechtsventrikuläre Thromben (in 4 bis 18 % der Patienten)
- evtl. Messung der enddiastolischen Dicke des rechtsventrikulären Myokards (Norm < 5 mm)
Durch Kippen des Schallkopfes kann vom rechten Vorhof die Vena cava inferior eingesehen werden. Fragestellung:
- Volumenstatus – gestaut/weit – schlank – atemmoduliert oder nicht?
Als nächster Schritt Schallkopf nach lateral – apikaler 4-Kammer-Blick.
- wiederum Ventrikelgröße/Verhältnis enddiastolisch (Norm rechter zu linker Ventrikel 0,6/1,0)
- M-Mode-Vermessung der TAPSE am lateralen Anulus der Trikuspidalklappe (Norm < 16 mm)
- Im Tissue-Doppler kann die „peak systolic velocity of tricuspid annulus by tissue Doppler imaging“ (S`) bestimmt werden (Norm < 10 cm/s)
- Im CW-Doppler kann über der (wenn vorhandenen) Trikuspidalinsuffizienz der pulmonalarterielle Druck gemessen werden – wichtig ist eine parallele Anlotung! Die meisten Sonogeräte geben die Geschwindigkeit und auch den errechneten rechtsventrikulären Druckgradienten an, für den sPAP muss dann noch der RA-Druck (Schätzung über V. cava addiert werden). Somit ist der sPAP rechtsventrikulärer Druckgradient + RA-Druck (Norm 30 mmHg). Dieser ist bei akuter Lungenembolie erhöht – aber ein Druckgradient > 60 mmHg lässt eher an eine chronische pulmonale Hypertonie (z.B. eine chronisch thrombembolische) denken – Hypertrophie des rechtsventrikulären Myokards (siehe subkostale Anlotung).
- hier aber auch natürlich den aktuellen Volumenstatus, die Klappen (Stenose/Insuffizienz) und die linksventrikuläre Pumpfunktion beachten (hyperdynam, normal, eingeschränkt).
- McConnell-Zeichen: sehr eindrücklich zu sehen, bei stehender rechtsventrikulärer freie Wand nur Kontraktion des rechten Apex (hyperkontraktiler Apex im Vergleich zu stehender Wand) (Sensitivität 45%, Spezifität 82% in Bezug auf LAE-Mortalität bzw. Rescue-Thrombolyse). Es kann auch bei Rechtsherzinfarkt oder bei chronischer pulmonaler Hypertonie vorliegen.
Ergänzend kann noch die lange/kurze parasternale Achse (PLAX, PSAX) angelotet werden.
- Bestimmung der Größe der Ventrikel
- D-Sign (PSAX): der linke Ventrikel nimmt eine D-Form an
- bei systolischer Abflachung -> Hinweis für Drucksteigerung des rechten Ventrikels
- bei diastolischer Abflachung -> Hinweis für eine Volumenbelastung des rechten Ventrikels
- syst. und diast. Abflachung -> Druck- und Volumenbelastung
Als Notfallmediziner möchte ich betonen: ich will keine umfängliche Echokardiografie machen. Wichtig sind in Zusammenschau der oben genannten Untersuchungsschritte ein Gesamtbild zu entwickeln – Rechtsherzbelastung ja/nein. Verdachtsdiagnose Lungenembolie bestätigt/wahrscheinlich – oder Alternativdiagnose möglich? Natürlich ist es „schön“, eine Ausgangs-TAPSE oder sPAP zu messen, um einen objektivierbaren Kontrollwert zu haben. Diese Befunde zu erheben sind rasch zu lernen!
Die Lunge zu schallen ist relativ einfach, die Lernkurve steil und der Zugang besonders von ventral immer verfügbar. Was interessiert mich bei V.a. Lungenembolie?
- sicherlich lote ich beidseits ventral die Pleura bei meist liegendem Patienten (passend die BLUE-Punkte nach Lichtenstein an) und achte auf:
- Lungengleiten? Pneumothorax?
- interstitielles Syndrom? B-Lines? fokale B-Lines?
- und auch besonders auf dreieckige oder runde subpleural gelegene Läsionen (diese sind jedoch meist dorsal gelegen, sollten 5 – 70 mm groß sein) -> Lungeninfarkte
- danach dorsale Anlotung (PLAPS-Punkt und Phrenic-Punkt)
- die meisten Lungeninfarkte sind rechts basal, weniger links basal. Zu sehen sind 5 bis 70 mm große dreieckige oder runde subpleurale Konsolidierungen, im Doppler ohne Blutversorgung. Diese lassen sich in 75% der Lungenembolie-Fälle nachweisen (jedoch muss dafür die gesamte Lunge geschallt werden). Im Durchschnitt sieht man laut Mathis 2,4 Infarkte – ist aber eine ganz schöne Arbeit. Ich schalle primär da wo der Patient Schmerzen pleural angibt. Danach auf der Seite des Pleuraergusses (wenn vorhanden).
- eher kleine Pleuraergüsse in 50 % der Fälle
Die Lungenembolie ist eine Multisystemerkrankungen -> daher auch die Multiorgan-Notfallsonografie. Hierzu gibt es eine schöne Studie von (Multicenter Italien) von Nazerian von 2014.
Die Gesamtsensitivität betrug 90 %, die Spezifität 86,2 %. Die Kollegen schlussfolgerten:
Die Multiorgansonografie ist sensitiver als die Sonografie der einzelnen Organe und erhöht klinische Pretest-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie.
Nebenbei: 47 % der Patient*innen mit Verdachtsdiagnose Lungenembolie hatten eine andere Entlassdiagnose (Pneumonie, interstitielles Syndrom, Pleuraerguss, Aortendissekation) -> keiner dieser Patienten hatte im CT eine Lungenembolie.
Zusammenfassung:
Patient 1: Thrombose der V. iliaca externa, TAPSE 1,5 cm, Ventikelthrombus apikal, sPAP knapp 50 mmHg, D-Sign, McConnell-Sign
Patient 2: Thrombose der V. poplitea, TAPSE 2,25 cm, S`16 cm/s, V. cava atemkollaptisch, links basal 2 typische subpleurale Konsolidierungen
Patient 3: Thrombose der V. femoralis communis, TAPSE 1,7 cm, sPAP 48 mmHg, McConnell-Sign
Und die CT’s der 3 Patienten:
Fazit
- Die CT’s der 3 Patienten unterscheiden sich bzgl. der zentralen Thrombuslast kaum. Dennoch hat Patient 2 keine Rechtsherzbelastung, während dies bei Patient 1 und 3 der Fall ist.
- Somit ist die Thrombuslast nicht unbedingt korrelierend mit der Rechtsherzbelastung – Erklärung: vielleicht lag bei Patient 2 eine mehrzeitige Lungenembolie vor. Ich finde dies besonders in Hinblick auf eine aktuelle Studie (sehr empfehlenswert) aus der Zeitschrift Academic Emergency Medicine (kann ich auch nur dringend empfehlen) von Daley JI interessant. Hier war die Sensitivität des Herzultraschalls – also der Nachweis einer Rechtsherzbelastung – bei einer Herzfrequenz von ≥ 110/min 100 %! Somit hatten alle Patienten, bei denen der Verdacht einer Lungenembolie bestand und die eine HF ≥ 110/min hatten im Herzecho eine Rechtsherzbelastung. Unser Patient 2 nicht!
- Die Multiorgansonografie erhöht die Sensitivität und Spezifität um einiges, kann auch Alternativdiagnosen finden und CT’s vermeiden
- Patient 1 und 3 wurden lysiert, mit gutem Erfolg der Vitalzeichen und auch der Rechtsherzbelastung (intermediär-hohes Risiko), Patient 2 hatte 3 Wochen vor der Vorstellung geboxt, daher keine Lyse bei „Kopftraumata“.